Rückblick Symposium 2024
Zu den Höhepunkten unserer Gesellschaft gehört immer das wissenschaftliche Symposium, welches ein spannendes Zukunftsthema der Inneren Medizin in den Mittelpunkt stellt. In diesem Jahr hätten wir kaum aktueller sein können: flankiert von Nobelpreisen in Medizin (2023 für die mRNA-Technologie, 2024 für micro-RNAs) und ersten erfolgreichen Zulassungsstudien stand beim 38. wissenschaftlichen Symposium der Walter-Siegenthaler-Gesellschaft in Köln vom 8. – 9. November das Thema „Einsatz von Nukleinsäuren in der Therapie internistischer Erkrankungen“ im Mittelpunkt. Während es zunächst für seltene, bislang nicht behandelbare Erkrankungen wie die Amyloidose oder Porphyrie durch Nukleinsäure-Therapeutika fundamental neue Behandlungsmöglichkeiten gab, ist die Nukleinsäure-basierte Therapie nun bei den Volkskrankheiten wie Hypercholesterinämie oder arterieller Hypertonus angekommen. Mit zugelassenen Gentherapien für z.B. Hämophilie oder CAR-T-Zellbehandlungen für hämatologische Neoplasien werden frühere Zukunftsvisionen heute bereits teilweise klinischer Alltag. Ganz neue Therapiefelder eröffnen sich durch diese neuen Therapieprinzipien aktuell in der Kardiologie, Onkologie und Hepatologie. International führende Expertinnen und Experten gaben fundierte und spannende Einblicke in biologische Prinzipien, Medikamentenentwicklung, Studienergebnisse, den praktischen klinischen Einsatz und auch neue ethische Herausforderungen durch die (meist teuren) Therapien.
Einleitend wurde der historische pharmakologische Entwicklungsweg von Kräutern zu Pillen, Antikörpern und Nukleinsäuren beschrieben. Als Nukleinsäure-Therapeutika werden heutzutage vor allem small-interfering-RNA (siRNA), Antisense-Oligonukleotide oder direkte Gen-modifizierende Therapien eingesetzt. Anschließend bekamen wir einen Überblick über die Nutzung des natürlichen Mechanismus der Genregulation bei Pflanzen, Pilzen, Tieren und Menschen, die RNA-Interferenz, für die Behandlung seltener und häufiger Probleme in der Inneren Medizin. Die zweite Sitzung des Tages fokussierte auf die Erklärung der molekularbiologischen Grundlagen der neuen Therapieprinzipien. Deutlich wurden die enormen Fortschritte, über RNA-Interferenz wichtige Stoffwechselwege (wie Cholesterinmetabolismus) in der Leber zu adressieren, wohingegen andere Zellen wie Herzmuskel oder Endothel als Zielstrukturen noch große Herausforderungen darstellen. Der Tag klang mit einem gemütlichen Gedankenaustausch zwischen Mitgliedern der Gesellschaft, Referierenden und Mitarbeitenden der forschenden pharmazeutischen Industrie aus.
Am zweiten Tag sind wir intensiv in die Chancen dieser neuen Therapieprinzipien in den großen Feldern der Inneren Medizin eingestiegen. Nukleinsäure-Therapien lassen große Fortschritte für zahlreiche der noch bestehenden Herausforderungen internistischer Erkrankungen erwarten. So gab es faszinierende Einblicke in neue Entwicklungen der Anwendung von Nukleinsäuren in der lipidsenkenden Therapie. Durch den langwirksamen Effekt einer siRNA-Anwendung zur LDL-Senkung oder Lp(a) Behandlung werden bisherige Therapieprinzipien der lipidsenkenden Pharmakotherapie fundamental erweitert. Diese Neuerungen wurden sehr gut nachvollziehbar in den Kontext der bisherigen therapeutischen Möglichkeiten gestellt. Es schloss sich eine Sitzung zu den neuen Anwendungen Nukleinsäuren-basierten Therapie von Herzmuskelerkrankungen an. Nach einer Übersicht über die Genetik von Herzmuskelerkrankungen folgten faszinierende Einblicke in die Gentherapie vererbter Kardiomyopathien und der hereditären Transthyretin Amyloidose.
Die Leber stand im Mittelpunkt der dritten Sitzung des Tages. Zunächst wurden therapeutische Ansätze bei einem Chamäleon der Inneren Medizin, der Porphyrie, diskutiert. Beim Alpha-1-Antitrypsinmangel liegen bereits erste Ergebnisse der RNA-Interferenz-Therapie vor. Von diesen seltenen Erkrankungen wurde dann der Bogen mit einer Übersicht über die therapeutischen Möglichkeiten des Einsatzes von Nukleinsäuren bei häufigen Lebererkrankungen wie der metabolischen Steatohepatitis, der Virushepatitis oder der Leberfibrose geschlossen. Die vorletzte Sitzung des Programms beschäftigte sich mit der Anwendung der neuen Therapiemöglichkeiten in der Hämatologie und Onkologie. Am Anfang stand eine Übersicht über den Stand bei pädiatrischen onkologischen Erkrankungen als Paradigma für die Anwendung beim Erwachsenen. Es folgte ein faszinierender Einblick in die Arbeit an der Optimierung von CAR T Zelltherapien mittels zusätzlicher RNA-Therapie. Auch in der Gentherapie angeborener Hämophilien gibt es große Fortschritte. Die Kosten dieser neuen Therapieformen stellen aber immer noch erhebliche Hürden für die Anwendung dar. Dies und die mit Nukleinsäure-basierten Therapien verbundenen ethischen Fragen wurden im letzten Vortrag in dieser Sitzung adressiert.
Den Abschluss des wissenschaftlichen Programms bildeten wie gewohnt die Vorträge der Silbermedaillen-Gewinner. Hierbei handelt es sich um herausragende Nachwuchswissenschafterinnen und Nachwuchswissenschaftler, deren engagierte Forschungsleistung echte wissenschaftliche Durchbrüche, z.B. beim Verständnis psychischer Begleiterkrankungen beim Diabetes insipidus, der Therapie der Pseudomonas-Infektion oder der Impfstoffentwicklung gegen HIV, darstellen. Die Vorträge waren didaktisch hervorragend und ermöglichten es uns, die Anwendungsmöglichkeiten dieser neuen Konzepte zu verstehen.
Man kann nicht genug betonen, dass die Atmosphäre des Symposions sehr familiär, engagiert und freundschaftlich ist. Wie immer wurden die Vorträge auf hohem wissenschaftlichem Niveau intensiv diskutiert. Das Programm lässt viel Zeit für Nachfragen und Gespräche und bietet auch die Räume zum näheren Kennenlernen von Kolleginnen und Kollegen, Vortragenden und wissenschaftlichen Mitarbeitenden aus der pharmazeutischen Industrie. Die Kombination aus Wissenschaft auf höchstem Niveau über die ganze Bandbreite der Innere Medizin und intensivem persönlichen Austausch ist ein Alleinstellungsmerkmal des Symposions der Walter-Siegenthaler-Gesellschaft. Wir freuen uns schon heute auf das 39. Symposium im November 2026 – auch Sie sind beim nächsten Mal wieder herzlich eingeladen!
Frank Tacke, Berlin
U. Sechtem, Stuttgart