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Differentialdiagnose und medizinische Innovation

Differentialdiagnose und medizinische Innovation

Symposium zum 100. Geburtstag von Prof. Dr. med. Walter Siegenthaler, 14. Dezember 2023

2010 ist Walter Siegenthaler mit 87 Jahren in Zürich gestorben: Internist, Klinikleiter, Lehrer und Lehrbuchautor. Was bleibt? Das Symposium vom 14. Dezember 2023 am Universitätsspital Zürich zeigte: Es ist einiges. Deutlich wurde auch: Der Blick zurück ist nicht einfach Nostalgie. Er kann auch wichtige Anregungen fürs Hier und Heute geben.

Das Symposium zum Gedenken an Prof. Dr. med. Dr. h.c. Walter Siegenthaler, welches am 14. Dezember 2023 aus Anlass seines 100. Geburtstags im Universitätsspital Zürich abgehalten wurde, bot eine umfassende Reflexion über das Leben und Werk dieses außergewöhnlichen Mannes, Mediziners, Lehrers und Autors, der 2010 im Alter von 87 Jahren verstarb.

Dieses würdevolle Event, auch von der Walter-Siegenthaler-Gesellschaft prominent begleitet, zog rund 200 Teilnehmende an, darunter ehemalige Kollegen, Schüler und Bewunderer von Siegenthalers Arbeit. Sie kamen zusammen, um die bleibenden Beiträge dieses bemerkenswerten Internisten zur medizinischen Wissenschaft und Praxis zu feiern und zu diskutieren, wie seine Lehren und sein Ethos weiterhin den medizinischen Fortschritt und die Ausbildung beeinflussen können.

In den Eröffnungsansprachen von Prof. Dr. med. Edouard Battegay und Prof. Dr. med. Beatrice Beck Schimmer sowie in den Begrüssungsworten von Prof. Dr. med. Udo Sechtem seitens der Walter-Siegenthaler-Gesellschaft und Dr. Monika Jänicke seitens des Universitätsspitals Zürich wurde ein lebendiges Bild von Siegenthaler gezeichnet, das seine Bedeutung als Pionier in der Medizin unterstrich. Siegenthalers Engagement für die medizinische Ausbildung, sein unermüdliches Streben nach Innovation bei gleichzeitigem Festhalten an bewährten Praktiken und seine klare, schnörkellose Art der Wissensvermittlung wurden hervorgehoben. Dieses Vermächtnis lebe im klassischen Lehrbuch „Differenzialdiagnose innerer Krankheiten“ fort, das er herausgegeben hatte, und das eine Generation von Medizinern prägte und auch in neuen Auflagen bis heute als Meilenstein eines die Innere Medizin prägenden und für die Innere Medizin motivierenden Lehrbuches gilt.

Die Vorträge des Symposiums spiegelten die Vielfalt und Tiefe von Siegenthalers Interessen und Einflüssen wider. Experten aus den Bereichen Infektiologie (Frau Prof. Dr. Dr. med. Annelies Zinkernagel, Zürich), Nephrologie (Prof. Dr. med. Thomas Fehr, Chur) und Thorax-Chirurgie (Frau Prof. Dr. med. Isabelle Schmitt-Opitz, Zürich) – allesamt Preisträger der „Walter und Gertrud Siegenthaler Stiftung“ – präsentierten aktuelle Forschungsergebnisse und innovative Ansätze in ihren Fachgebieten. Diese reichten von der Bekämpfung neuer Infektionskrankheiten über Fortschritte in der Nierentransplantation bis hin zu bahnbrechende Techniken in der Thorax-Chirurgie. Die Beiträge verdeutlichten, wie die Grundlagenforschung und klinische Praxis weiterhin von Siegenthalers Werk inspiriert werden.

Ein besonderer Fokus des Symposiums lag auf der Bedeutung der Differenzialdiagnose, einem Gebiet, das Siegenthaler besonders am Herzen lag. Dr. med. Lorenzo Käser, Zürich zeigte, dass Differenzialdiagnose als Lehrbuch-Thema in Zürich auf eine bald 100-jährige Geschichte zurückblicken kann. Den Anfang machte 1937 die Publikation von Prof. Dr. med. Dr. h.c. Otto Nägeli, ein Alterswerk. 1952 folgte die erste Differenzialdiagnose von Prof. Dr. med. Robert Hegglin. Hegglin macht sich z.B. Gedanken über die Gründe, die hinter Fehldiagnosen stehen können. Die Palette reicht von „ungenügender Untersuchung infolge schlechter Möglichkeiten“ bis zu „Schwarzseherei oder notorischem Optimismus“. 1972 übernahm dann Walter Siegenthaler die Herausgeberschaft und brachte das Werk zu neuen Höhepunkten. 2012 folgte Edouard Battegay. Die Entwicklung und Anwendung der Differenzialdiagnose in der medizinischen Ausbildung wurden ebenso thematisiert wie ihre Bedeutung bei der Vermeidung von Fehldiagnosen und der Gewährleistung einer angemessenen Patientenversorgung. So wies PD Dr. med. Lukas Zimmerli, Olten, auch auf Prinzipien der Differenzialdiagnose in der modernen Praxis zur besseren Bewältigung von medizinischer Über- und Unterversorgung. Sein Vortrag über medizinische Check-ups illustrierte, wie eine gründliche Differenzialdiagnose dazu beitragen kann, die tatsächlichen Bedürfnisse und Bedenken der Patienten zu identifizieren und zu adressieren, jenseits der offensichtlichen Symptomatik.

Zum Abschluss stellte Prof. em. Dr. rer. nat. Lutz Jäncke die provokative Frage, ob das Gehirn vernünftig sei. In seinem Vortrag, der Siegenthalers lebenslange Neugier und seinen kritischen Geist widerspiegelte, untersuchte Jäncke die Komplexität und oft irrationale Natur menschlichen Denkens. Er betonte die Bedeutung von Bildung und kritischem Denken für die geistige Gesundheit und unterstrich damit ein zentrales Anliegen Siegenthalers: die Aufforderung, niemals aufzuhören, zu lernen, zu hinterfragen und sich weiterzuentwickeln.

Eine umfangreichere Zusammenfassung des Symposiums finden Sie hier:
Differenzialdiagnose und medizinische Innovation – Teil 1
Differenzialdiagnose und medizinische Innovation – Teil 2

Prof. Edouard Battegay, Basel
Präsidium Walter-Siegenthaler-Gesellschaft